Hiroshima-Gedenkfeier

Eine Woche lang war ich in der Dartington International Summer Music School in Südengland. Sehr gute und nicht so gute Amateur-Musiker zwischen achtzehn und achtzig Jahren verbringen dort eine oder zwei Wochen im Jahr, um Musik zu machen: im Chor, im Kammerchor, im Orchester, in Kammermusikgruppen, bei Meisterkursen. Und das alles in einem sehr alten Schloss mit entsprechenden Nebengebäuden und einem eindrucksvollen Park.

Zum Gedenken an den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima gab es ein Konzert der besonderen Art:

Wir, das Publikum, versammelten uns auf der großen Rasenfläche im Innenhof des Schlosses. Und ohne die sonst übliche kurze Stille vor dem Beginn eines Konzertes spielten die Trompeter vom Turm, spielten die Bläsergruppen, die sich rund um den Rasen gruppierten hatten sie spielten Stücke, die in den Tagen vorher zu diesem Anlass komponiert worden waren, ein Nachwuchsdirigent koordinierte die Turmbläser und die auf dem Rasen.

Aus dem Torbogen zum Innenhof trat ein Mann, der hoch erhoben ein Carnyx trug. Das ist ein Instrument, das vor etwa 2.000 Jahren von den Schotten und Kelten dazu benutzt wurde, um während eines Krieges geblasen zu werden. Am oberen Ende befindet sich ein Wolfs- oder Bärenkopf mit beweglicher Zunge. Die Geräusche, die damit erzeugt werden, sind sehr unheimlich (für Interessierte stelle ich ausnahmsweise einen Link herein: http://www.carnyx.musicscotland.com/carnyx/carnyx.htmJohn
Kenny hat auch während "unseres" Konzertes geblasen).

Carnyx, Bläsergruppen und Zuhörer schritten dann in einer Art Prozession ins Haupthaus, in die Great Hall. Und ich befand mich unversehens in eifriger Diskussion mit einer gleichaltrigen Dame über unsere Kriegserinnerungen. Und darüber, wie allein die Musik im Innenhof vieles wieder ins Gedächtnis zurückrief.

Nur sehr theoretisch war die Fortsetzung des Konzertes eher konventionell (Chor und Orchester), denn Stephen Montague ist ein zeitgenössischer Komponist und hat dieses Konzert auch dirigiert. Sirenen, Lärm und Angst wurden uns über die Musik unmittelbar nahe gebracht; vermutlich konnten nicht einmal die sehr jungen Leute unbeeindruckt bleiben. Obgleich ich während des Krieges noch klein war: zeitweise habe ich während des Konzertes Angstgefühle gehabt: die Musik hat mir den Krieg (jeden Krieg) wieder deutlich gemacht.

Eine Rede, wie sie sonst so gerne bei Gedenkveranstaltungen gehalten wird, wurde nicht gehalten sie war auch überflüssig.

Ein Beitrag von
sesemi

Weitere Informationen, Diskussion darüber sowie weitere Links sind im Tivoliforum in der Rubrik "Kultur" zu finden.

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